Gesellschaftsdämmerung | Umbaute Zeit (IV,5)
Beobachter zweiten Grades: Handelt es sich um den Stand der Gnade oder um eine Sprosse auf der Karriereleiter? Wie auch immer, die sekundäre Anschauung übersetzt die unendliche Melodie der Romantiker in anonyme Alltagsbeobachtung. Dies da fällt und ich bleibe zurück. Vielleicht falle ich mit, man wird sehen, aber das bliebe sekundär, eine Art Zugabe, die ich im voraus bedaure und die nicht bedeutet. Im Sturz bliebe ich wirklicher als das da. Es ist, recht betrachtet, keine Voraussicht, die den Betrachter umtreibt, noch weniger Ängstlichkeit oder Panik. Keineswegs erwartet er das Ende hier und jetzt. Im Gegenteil, ihn lockt das Gewimmel, das Ineinander, er würde fluchen, wenn es gerade heute aus dem Ruder liefe, und er würde es sehr bedauern, wenn die Maschine bis auf weiteres ihren Dienst quittierte, nicht allein aus praktischen Gründen, sondern aus zivilisatorischer Emphase. Dennoch existiert diese Empfindung, sie geht nicht weg und sie bohrt ein Loch in die Illusion einer Realität, die mächtiger ist als alle individuellen Realitäten. Warum? Gäbe es einen Abgrund, dann erschiene an seiner Stelle – die Gesellschaft. Es gibt keinen, man bedarf seiner nicht, der konstruktive Verstand überwölbt keine Abgründe, genauso wie er das ex nihilo verschmäht. So wie er denkt, ist er bei der Sache. Auch der Beobachter zweiten Grades ist, solange sein Denken funktional bleibt, bei der Sache. Aber er ist es nicht ganz und er kann dagegen nichts tun. Man tritt nicht von einer Sache zurück, ohne dass die Linien sich ins Haltlose verlängern.
© Acta litterarum 2009