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Gesellschaftsdämmerung | Rede vom Weltuntergang (III,33)
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Die sehr christliche Überzeugung, dass absolute Macht absolut böse sei, stellt dem Weltregiment der Guten ein zweideutiges Zeugnis aus. Nicht, dass es nicht von der Stelle kommt, ist das Problem. Das strengere, zur Unlösbarkeit tendierende Problem besteht darin, dass es die absolute Macht, die es faktisch ausübt, vor sich selbst verbergen muss und deshalb auf immer neue Aspiranten verschiebt. Die Frage ist also immer nur, ob und wann ein Aspirant erscheint, der das Format hat, sich zu dieser Rolle zu bekennen. Kandidaten zeigen sich schon, aber es fällt ihnen schwer, den Purpur überzustreifen und die angestrebte Rolle mit dem gewachsenen Selbstverständnis in Übereinstimmung zu bringen. So bleibt es bei der Logik der Unterstellung, die gebieterisch auf kleinere Bösewichter ausweicht, weil es unklug wäre, sich mit den ernsthaft in Betracht kommenden anzulegen. Die Großen spiegeln sich in den Kleinen, nicht ohne Hoffnung, dass in diesen Zerrbildern nur ein Teil der Wahrheit sichtbar wird. Die Kleinen genießen den wirren Zuwachs an Macht, bis sie ruiniert sind. Nein, es ist nicht menschlich, eine Macht, die man zugesprochen bekommt, nicht auszuüben, auch wenn sie den kommenden Selbstmord einschließt. Jedenfalls gilt das in der politischen Arena. Das Regiment der Guten nötigt die Welt, Heilige zu gebären: die Mittel dazu sind, wie eh und je, Blitz- und Donnerschläge. Seltsame Heilige entstehen so – klägliche, groteske, verstümmelte und, immer wieder, schwerreiche.
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