Gesellschaftsdämmerung | Rede
vom Weltuntergang (III,27)
Die Idee einer vergehenden Menschheit ist von der Vorstellung der vergänglichen Gattung, bestehend aus vergänglichen Einzelwesen, grundsätzlich unterschieden, so grundsätzlich, dass man fragen kann, ob sich nicht doch eine Gemeinsamkeit benennen lässt, die verständlich macht, warum sie so mühelos in einer Denkweise koexistieren. Die Vergänglichkeit der Gattung ist erdgeschichtlich festgeschrieben. Dieser Planet wird eines Tages unbewohnbar sein, er wird irgendwann nicht mehr existieren und er wird dieses Schicksal zuguterletzt mit dem Sonnensystem und ›unserer‹ Galaxie teilen – soweit darf man den Theorien wohl trauen. Die Evolution wiederum, die nicht einen Moment lang stillsteht, obwohl das Leben jedes Einzelnen diese Erfahrung nicht hergibt, arbeitet gleichermaßen an der Perfektionierung wie an der Zerstörung der Gattung. Es ist ein und derselbe Prozess, der sie hervorgebracht hat und sie, wenn die Umstände es hergeben, wieder zum Verschwinden bringt. Vergänglichkeit ist das triviale Schicksal der Gattung, ein Trost für jeden, der sich nicht gern überlebt sieht, ohne Kompensation zu erfahren.
© Acta litterarum 2009