Gesellschaftsdämmerung | Rede
vom Weltuntergang (III,18)
Was in solchen ernsten und unernsten Spielen Vernunft, was Unvernunft heißt, kann, darin sind sich die Verständigen einig, niemals ausreichend ausgesagt werden. Es existiert bloß im Modus des ›Immerhin‹. Und immerhin versteht man unmittelbar, was gemeint ist. Eine vernünftige Unvernunft wird nicht bis zum Äußersten gehen, in ihr wird das hegende Element in der Regel wenn schon nicht die Oberhand, so doch hinreichend Einfluss besitzen, um die finale Katastrophe zu verhindern. Anders die unvernünftige Unvernunft, die, um die vernünftige Ordnung der Dinge zu verhindern, zum Äußersten bereit ist und auch die finale Katastrophe für ein probates Mittel hält, um sich durchzusetzen. Die finale Katastrophe –? Das sagt sich so leicht, doch da auch in Bezug auf sie keine Einigkeit herrscht – und vielleicht nicht einmal herrschen kann –, besitzt selbst sie ihre Liebhaber. Ein Verteidiger des Status quo, der ihn lieber einreißt als preisgibt, zieht die Blicke der Menschen stärker auf sich als hundert andere, die ihn, dem Unwahrscheinlichen zum Trotz, das darin liegt, listig bewahren. Er bindet die Menschen – im Guten wie im Schlechten.
© Acta litterarum 2009