Gesellschaftsdämmerung | Rede vom Weltuntergang (III,13)
Wie also steht es um das Ende der Geschichte der Menschheit, die als Teil der Geschichte des Universums so aus jeder vorstellbaren Relation gerückt ist, dass die Verzweiflung über die condition humaine darüber ihre Tätigkeit eingestellt hat und selber Geschichte wurde? Wie steht es um sie sub specie der Aktion? Denn daran besteht kein Zweifel: die Aktion antwortet auf ein katastrophisches Bild der Geschichte, eigentlich Meta-Geschichte, in deren Zentrum nicht ›der Mensch‹ steht, sondern die physikalische, biologische, soziale, politische Eruption, die schleichende Vernichtung der Lebensgrundlagen, gegen die sich die Vernünftigen zusammenschließen. Das Ende ist nah: schieben wir es hinaus. Das Ende ist weit: lassen wir es herankommen. Beide Einstellungen gehören zusammen; sie sind zwei Seiten einer Münze. Das Äquilibrium, der Einklang mit der Natur, gehört bereits zu den Träumen der Vernunft, die Ungeheuer gebären, großflächige Phantasien vom Umbau der Ökonomie, der Gesellschaft, des Menschen selbst, Träume, die an jeder Kreuzung des Geschehens beiseitegekickt werden, während die Handelnden mit eherner Stirn behaupten, sie seien ihrer Verwirklichung ›ein gutes Stück‹ näher gekommen. Diese Idee des Umbaus wird, wenn es gelingt, durch die Aktion externalisiert. Was zu Hause, bei einem temperierten Gang der Geschäfte, nicht zu erreichen ist, das lässt sich draußen spielend gegen den Feind erzielen. Senken wir also Friedfertigkeit in die Herzen unserer Gegner, indem wir unsere Feinde vernichten. Erzwingen wir einen vernünftigen Umgang mit den Weltressourcen, indem wir uns Verfügung über sie verschaffen. Schaffen wir die befriedete Gesellschaft, indem wir die friedlose eigene exportieren. Die Aktion macht das Schwere leicht. Kein handlungswilliger Odysseus mag da abseits stehen.
© Acta litterarum 2009