Gesellschaftsdämmerung | Rede vom Weltuntergang (III,12)
In den Endkampf geraten alle unversehens und unvorbereitet, auch wenn die Arsenale von Waffen starren und die strategischen Pläne in den Schubladen liegen. Das liegt, ironisch gesprochen, am Ende – mit dem Ende anzufangen ist keine kleine Sache. Das Leben besteht aus Aufschüben, die gleichermaßen Einschübe sind, eine Abfolge der dazwischengeschobenen kleinen Dinge, die erledigt werden müssen und um die herum sich die größeren kleinen Dinge formen und gruppieren, die ebenfalls keinen Aufschub dulden, so sehr sind sie einfach da, wenn sie einmal da sind. Deswegen verfügt diese Geschichte hier über keine andere Zeit als diejenige, die sie herausfräst aus der ›Zeit, die wir sind‹. Schon deshalb muss sie sich jede Begründung nehmen, egal welche. Man darf vor Absurditäten nicht zurückschrecken, wenn es gilt, die Geschichte zu Ende zu bringen. Diese Geschichte hier jedenfalls muss zu Ende gebracht werden und hinter ihr ruht, ein dunkles Massiv, die Heilsgeschichte der Menschheit, die, halb vergangen und halb vergessen, plötzlich blitzwach die Verhältnisse regiert. Das ist allerdings ein anderes Zu-Ende-Bringen als die planmäßige Verbreitung eines Konzepts, eines ›way of life‹, einer im Prinzip bereits realisierten Sache. Die Maßlosigkeit der Aktion straft das Modell der Lokalisierung, der hier und da notwendigen Verankerung des ›unumkehrbaren‹ globalen Prozesses in lokalen Kulturen, Lügen. Vielmehr: sie fügt ihm eine Dimension hinzu, die vergessen wurde. Eine dumme Geschichte ist das.
© Acta litterarum 2009