Gesellschaftsdämmerung | Rede vom Weltuntergang (III,5)
Dass man unverzüglich darangehen konnte, anhand dieses Zeichens eine ›Politik des einundzwanzigsten Jahrhunderts‹ zu entwerfen, zeigt etwas weiteres an: den Wunsch, ›in diesem Zeichen zu siegen‹. Das verwundert ein wenig, weil das auf Zuwächse angelegte Verlangen der Vernünftigen und der Ängstlichen nach Schadensbegrenzung, selbst nach Friedfertigkeit, das im Anschluss an einen Gewaltexzess anschwillt, erst einmal übertönt werden muss. Nicht dass dies einer geübten Propaganda sonderliche Schwierigkeiten bereiten könnte, ist das Erstaunliche, sondern die bereitwillige Annahme der Herausforderung, als habe man längst darauf gewartet, als sei die andere Seite hier in ein listig ausgelegtes Netz gegangen, während man doch gerade selbst die so unverhüllt gestellte Falle akzeptiert. Kein Wunder, wenn alles, was danach kommt, von einem bestimmten Zeitpunkt an wie ein abgekartetes Spiel wirkt. Doch geht die Sucht, wissen zu wollen, was in solchen Zeiten wirklich geschieht, gelegentlich in die Irre, weil die ›wahren Gründe‹, wie es in ihrer Natur liegt, auch den Akteuren gewöhnlich verborgen bleiben. Man geht in die Falle, weil man in einem bestimmten Punkt unbestimmt genug ist, um sie als Bestimmung anzunehmen.
© Acta litterarum 2009