Gesellschaftsdämmerung | Moderne zum Abwinken (II,14)
Der fernsehende Mensch weiß, dass er nicht in Betracht kommt, der
betrachtete, dass daran kaum mehr interessant ist als die Position, die
er einnimmt und um keinen Preis herzugeben gedenkt, weil er davon
überzeugt ist, dass nur der ein Mensch genannt zu werden verdient, der
in Betracht kommt. Das Fernsehen ist, wie die Sprache, ein großer
Entwerter, man nennt es die Sprache der Analphabeten. Es hat den
Betracht, in den einer kommt, in eine unbestimmte und unbestimmbare,
vor allem praktisch, das heißt durch eine vernünftige und vertretbare
Praxis nicht erreichbare Ferne verschoben, es ist der Tabernakel, vor
dem sich die Linien von Ehrfurcht, Erwartung, Erstarrung, Missmut und
Unglauben kreuzen. Es gibt keine Wirklichkeit, es sei denn aus diesem Kasten:
die Theorien, in denen das mit der üblichen Emphase als frohe Botschaft
verkündet wurde, sie fallen, eine nach der anderen, der Entwertung
anheim, in deren Dienst sie sich begeben hatten. Wer immer sich vor den
Kasten setzt, weiß, dass er im Begriff steht hereinzufallen, und ob er
sich hütet oder gehenlässt, es kommt auf dasselbe heraus. Er weiß es.
Er lässt sich gehen und ist auf der Hut. Der Schatten des Erbärmlichen
streckt sich neben ihm, er hat es leicht.
© Acta litterarum 2008