Gesellschaftsdämmerung | Moderne zum Abwinken (II,13)
In der ›postmodernen Massengesellschaft‹ (Kondylis) sind solche
Trennungen das Gegebene. Das Medium, über das sie kommuniziert, heißt,
wie man weiß, ›Fernsehen‹, so als sei die unendliche und unüberwindbare
Distanz zwischen denen, die ›in Betracht kommen‹, und all den anderen
in den elementarsinnlichen Vorgang des Sehens eingetreten und habe die
europäische Tradition, die den Ausdruck für alle möglichen
Erkenntnisoperationen einsetzt, an dieser Stelle außer Kraft gesetzt.
Fernsehen ist keine Metapher, sondern die reine Wahrheit, wenn man die
von ihm erzeugte Illusion beiseitelässt, es handle sich darum,
physische Distanzen zu überbrücken und in gesellschaftliche Räume
einzudringen, die einem sonst verschlossen blieben. Die Distanz, die
das Fernsehen überbrückt, wird von ihm selbst geschaffen. Die
Mattscheibe ist sein Symbol. Zwischen den Leuten, die hinter der
Scheibe agieren, und denen, die vor ihr sich ihrer Stiefel entledigen,
herrscht eine absolute Differenz, die von den ebenso aktiven wie naiven
Zeitgenossen, die alles daransetzen, um – wenigstens ein Mal –
hinter die Scheibe zu gelangen, tätig geleugnet und zugleich bestätigt
wird. Der Wunsch all derer, die hineinkommen wollen, gipfelt
bekanntlich darin, sich selbst darin zu sehen. Wer, durch welche
magische Operation auch immer, auf die andere Seite der Scheibe gelangt
ist, kann bestätigen, dass sich dort nichts befindet, jedenfalls keine
›Wirklichkeit‹ außer der banalen von Leuten, die ihren Job verrichten
und auf die eine oder andere Weise die Verwandlungsmaschine bedienen
und am Laufen halten.
© Acta litterarum 2008