Gesellschaftsdämmerung | Moderne zum Abwinken (II,12)
Zu dieser Haltung gehört, dass einer sich nur zu Wort meldet, um
den Matadoren des wissenschaftlichen und kulturellen Bewusstseins seine
assistierenden Gedanken anzudienen oder ihnen eins auszuwischen, indem
man sich an den jedermann zur Einsicht freigegebenen Problemkatalogen
bedient. Das ist legitim, es richtet keinen Schaden an und bringt ihn
mit ein bisschen Glück ins Gespräch. Ansonsten bleibt es subaltern. Es
bliebe auch subaltern, wenn man recht behielte, das heißt für den Fall,
dass der Gedanke, den man in die Arena wirft, dort aufgenommen und nach
einem Moment des Bedenkens auch eingesetzt würde. Doch die
Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Fall eintritt, liegt nahe bei
Null. Nicht dass die Helden der Arena nicht sähen, was ihnen da
zugespielt wird. Aber sie werden sich hüten, ihre erworbene Stellung
dadurch zu gefährden, dass sie neue Akteure ins Spiel bringen. Sollten
sie es einmal versuchten, würden sie rasch daran erinnert, zu welchen
Konditionen sie arbeiten und worin ihre Tätigkeit besteht. So bleibt
ihnen der zweifelhafte Genuss, an sich selbst zu erfahren, mit welch
schlichten Mitteln Superiorität und Meinungsführerschaft ins Werk
gesetzt werden. Die großen Anreger sind große Zudecker, sie sorgen
dafür, dass die Blicke der Kompetenten starr auf die Arena gerichtet
bleiben. Die Arbeit am Horn des Problems wird von Leuten verrichtet,
die ihre Präsenz aus der Wiederholung immer derselben Griffe bestreiten
und auf diese Weise ein unerhörtes Pensum erfüllen, wie das raunende
Publikum weiß, das mit seinem ordinären Alltagsfleiß sich redlich die
Einladungskarte zum nächsten Symposium verdient.
© Acta litterarum 2008