Gesellschaftsdämmerung | Vergangene Zukunft (I,12)
Man blättert ein paar Generationen zurück und entdeckt, dass den Einzelnen
der Gedanke ans Überleben der Gattung über die eigene Vergänglichkeit
trösten konnte. Man reibt sich die Augen, wenn man derlei liest. Aber
auch die Untröstlichkeit ist vergangen. Sie ist dem Trost
nachgeschwunden, als müsse sie ihn in seinem Jenseits trösten.
Untröstlich ist keiner, Trost wird vornehmlich denen gespendet, die
nicht ganz bei Trost sind – Tieren, kleinen Kindern und
Zurückgebliebenen, was immer letzteres bedeuten mag. Das ist merkwürdig
oder sollte es sein. Ein Menschheitsaffekt und eine Menschheitsgebärde
verlieren sich nicht innerhalb weniger Jahrzehnte aus dem Leben der
Menschen, als hätten sie nichts zu bedeuten oder als sei man jetzt
weiter. Dieses Weitersein ist das Problem. Wer bloß eine Lache
anschlägt, wenn man ihn auf die Lebensaussichten der Gattung anspricht,
der mag sich in dem sicheren Gefühl wiegen, die Ablenkung von den
wirklich wichtigen Fragen im Ansatz durchschaut zu haben – dann
jedenfalls, wenn er halbwegs erfolgreich verdrängt hat, in welchem Maße
das Selbst zum Spielball unverdauter und vielleicht unverdaulicher
Theorien geworden ist, dieses Selbst, das, gleichgültig, welches Essen
aufgefahren wird, mit zu Tisch sitzt. Aber Kinder, warum macht ihr so
ein Gesicht? Ist euch der Appetit so schnell vergangen? Das tut mir
leid, mein Anblick sollte euch nicht auf den Magen schlagen.
Schließlich bin ich kein Fremdkörper.
© Acta litterarum 2009