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Gesellschaftsdämmerung | Vergangene Zukunft (I,4)
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Generationen erkennt man an ihrem Lebensstil, an Glaubenshaltungen und politischen Überzeugungen, also an dem, was der Ausdruck ›Sozialisation‹ so bündig wie vorgreifend zusammenfasst. Weitgehend ausgespart bleibt, wovon man in Gesellschaft zu reden sich geniert und worüber am ehesten die auf lange Zeiträume eingerichtete Kulturforschung Auskunft gibt: Formen der Lebensangst und der Todesfurcht. Am deutlichsten erscheint ihr nach Jahrgängen und ›Alterskohorten‹ wechselndes kollektives Gesicht in der Kunst. Wer, wie die meisten, mit ihr nichts im Sinn hat, ist in der Regel bereit und willens, in ihnen Therapiegründe zu sehen. Die Gesellschaft unterstützt ihn darin nach Kräften. Als Motivbereiche des politischen Handelns sind sie weit weniger gefragt. Politik ist mutig, Politik ist aufgeklärt, Politik gestaltet ›Zukunft‹. Der etwas lauter gestellte Ton, der niemanden überzeugt, verbannt die Todesmotivik zuverlässig in den Bereich der Obsessionen. Kein Zweifel, dort gehört sie hin, dort verrichtet sie ihr Werk. Die zahllosen Mordgeschichten, die sich ein großer Teil der Bevölkerung allabendlich zuführt, verdichten sich zum Krimi des Lebens, der die Illusion des ›Wir tun was‹ in den Feierabend hinein verlängert. Auch die Religion muss etwas tun. Wer nicht bei der Aufklärung hilft, was gilt denn der? Nein, er weiß es nicht, er sieht nur ein, dass alles, was herauskommt, gleich wieder investiert werden muss. Nur die Ausgeschiedenen lässt man nolens volens ruhen.
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