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Gesellschaftsdämmerung | Vergangene Zukunft (I,3)
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Der Ausdruck ›black box‹, von findigen Metaphernstrategen einst der Physik entwendet, bezeichnet einen undefinierten Zustand. In der Moralphilosophie wird daraus die ›Entscheidung‹. Dass ich mich entscheide, folgt der Logik eines Verlaufs, der an entscheidender Stelle zeugenlos bleibt. Der Prozess der Entscheidung mit seinen Phasen der Unentschiedenheit, des Abwägens, der wachsenden und abflauenden Entschiedenheit, schließlich des Entschiedenseins, des Seine-Entscheidung-getroffen-Habens lässt sich eindrucksvoll beschreiben. Doch die entscheidende Phase, das Überschreiten der Schwelle, ist darin nicht oder nur pro forma enthalten. Was in der Entscheidung geschieht, entzieht sich, Schrödingers Katze vergleichbar, der Beobachtung. Das Dilemma, nicht zu wissen, warum eine Entscheidung so oder so ausfällt, gleichgültig darum, wie gut man die Motive des Handelnden zu kennen glaubt, mag nur in der Theorie existieren. Anders sehen die Dinge aus, sobald man den Humus solcher Motive betrachtet – die Kultur. Wie der juristische Prozess der Fabrikation von Urteilen dient, so dient offenbar der kulturelle Prozess der Fabrikation von Zuständen, in denen älteren Zuständen das Urteil gesprochen wird. Wir, die wir später kommen, sind weiter. Nicht dass wir viel darüber wüssten, wie es vorher war. Dennoch verfügen wir über ein Urteil, das uns von der Differenz der Zustände einen Begriff gibt. Das ist schon deshalb praktisch, weil für den, der zurückblickt, hinter jedem Zustand ein früherer auftaucht und im Bewusstsein der Differenz mit dem späteren verschmilzt.
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