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Gesellschaftsdämmerung | Rede vom Weltuntergang (III,10)
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Der Einfall, ›nach der Geschichte‹ zu leben, hat sich in der Theorie nie so recht durchsetzen können. Die Leute mussten das Ende sehen: erst der Fall einer Mauer produzierte den Bilderbogen, der das Ende der Geschichte für viele sinnfällig werden ließ. Seither versteht man ihre Opfer, soweit sie überlebten, als Therapiekundschaft. Wie stark diese Vorstellung die Köpfe der Abgebrühten regiert, hat man nach ›9/11‹ erkennen können, als man verwundert vernahm, die Geschichte sei nunmehr zurückgekehrt: »The party is over«. Offenbar besitzt die Posthistorie viele Feinde – das Vergnügen, in ihr zu leben, scheint nicht so groß zu sein, dass man es nicht mit Vergnügen entbehren könnte. Seither hat die Erregung darüber sich deutlich beruhigt. Der große Lümmel ist wieder eingeschlafen und lässt die da tun, was getan werden muss. Mögen Fanatiker und Gestörte weiterhin von zukünftigen Menschheitswenden träumen – solange Polizeiaktionen genügen, die in der Zukunft aufgerissene Lücke zu schließen, wird es damit schon nicht so weit her sein. Hilfreiche Theoretiker haben dafür den Terminus ›asymmetrische Kriege‹ erfunden. Zwar war auch in der Vergangenheit Symmetrie selten das Gegebene, aber das wollen wir rasch vergessen. Auch ein Börsencrash ist eine asymmetrische Gewalttat, deren Täter sich im Dunkeln bewegen. Zieht man sie endlich ans Licht, so murmeln sie verlegen etwas von falschen Entscheidungen.
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